Eine kurzweilige Testnacht
Karl Thurner, Jozsef Kovacs eine Nacht im August 2024
Man muss ja wissen, was man verkauft. Gemäß diesem Motto haben wir unser Showroom-Gerät mitgenommen, um uns durch eine kurzweilige Nacht zu führen, und um mal zu sehen, wie man ohne große Vorbereitungen und intensives Studium der Betriebsanleitung mit den Gerät zurecht kommen. Wettermäßig stellt sich dieses Jahr leider grauenhaft dar, umso wichtiger, dass man die wenigen Stunden einfach und schnell nutzen kann. Das ist ein ideales Einsatzszenarium für das Celestron Origin.
Zum Aufbau hat man nur drei Teile: Stativ, Montierung und Teleskop. Dann muss man noch ein einziges, kurzes Kabel von der Montierung zum Teleskop legen und Stromschalter betätigen. Nach 10 Minuten sehr gemütlichen Aufbaus und nach 2-3 Minuten automatischer Einrichtung und Kalibrierung ohne unser Zutun meldete sich dann auch schon das Origin betriebsbereit am Smartphone. Der interne Akku sollte natürlich geladen sein, oder alternativ eine geeignete 12V Stromquelle zur Verfügung stehen. Andere Vorarbeiten wie das Aufspielen der App auf dem Smartphone hatten wir schon zu Hause erledigt. Ebenso vollführten wir vorher einen Test zum Verbindungsaufbau, denn ganz von Null in freier Wildbahn anfangen, das empfiehlt sich dann doch nicht.
Die Steuerung war uns aus dem ersten Trockenversuch zu Hause ziemlich klar. Das Menü ist aufgeräumt und insofern gibt es zunächst keine Rätsel. Dann folgte schon der fast schwierigste Punkt: Welches Objekt muss als erstes daran glauben? Die Milchstraße war gut zu sehen, die Horizontsicht nicht so schlecht, also ab in den Süden zum Adlernebel. Wir wollten bewusst keine "Rekorde" erzielen und stundenlange Belichtungszeiten arrangieren. Ein häufiger Umgang mit dem Teleskop wird sicherlich "cherry picking" sein, aber der fortgeschrittener Anwender wird auf Dauer eher den Reiz daran finden, etwas ungewöhnlichere Dinge in den Kasten zu bringen, sei es nach einem Kometen zu schauen, eine Helligkeit zu messen, eine Supernove zu fotografieren uvm.
So ist unsere Objektauswahl etwas von beidem. In jedem Fall aber waren es vergleichsweise kurze bis sehr kurze Belichtungszeiten zwischen 4 min und einer Stunde. Also wurde Messier 16 im Planetariumsprogramm ausgewählt und die Belichtungssession gestartet. Wir veränderten keine Einstellungen für die Fotografie und ließen die Software erst mal machen. Nach gut 10 Sekunden ploppte das erste Bild auf und zeigte uns schon die charakteristische Form des Adlernebels. Nach nur 560 Sekunden war es gefühlt mehr als genug für das erste hübsches Bildchen.
Alle nachfolgenden Beispielbilder sind nur kontrast- und helligkeitsangepasste Versionen des Rohstacks vom Origin. Nur bei Messier 16 wurde zusätzlich noch die differentielle Refraktion im Bild beseitigt. Die Atmosphäre verursacht so tief am Horizont eine deutlich sichtbare Verschiebung der Farbkanäle, die man ausgleichen kann und sollte. Man kann es kurz machen: Der Rohstack vom Origin ist so gut, dass man sich die Verarbeitung der Einzelbilder in einem anderen Programm sparen kann, solange man die Einzelbilder nicht für Helligkeitsmessungen benötigt oder dergleichen. Das entlastet viele Einsteiger enorm, denen Prozesse wie das Kalibrieren von Astrofotos noch Kopfzerbrechen bereitet. Aber auch der fortgeschrittene Fotograf spart einfach Zeit und kann sich auf die interessanten Aspekte konzentrieren. Das wäre dann auch noch ein Verbesserungsvorschlag für die Zukunft. Die Fits-Header der Rohbilder sind noch in einem eher rudimentären Zustand und auch das Summenbild mit allen Einträgen wäre als Fits-Bild nicht ganz ungeschickt (wird als Tiff mit separatem Log-File ausgeliefert).
Während das Teleskop geschäftig und leise in der Nacht vor sich hinwerkelt, nimmt man einen Stuhl, setzt sich gemütlich hin, packt das Fernglas aus und wandert durch die Milchstraße. Genial. Nur wenn das Teleskop die Position wechselt, dann wird die Stille durch ein jähes Geräusch unterbrochen, das so typisch für (fast) alle gabelarmmontierten Teleskope ist. Die Gabel ist ein guter Resonanzkörper. Direkt unter Nachbars Fenster wäre das Auftreten von einem solchen Lärmpegel überdenkenswert. Eine Möglichkeit die Schwenkgeschwindigkeit und damit die Geräuschentwicklung zu reduzieren, kennen wir aktuell noch nicht.
Dann eine Überraschung: Vor dem Ringnebel M 57 wurden wir gewarnt. Überhaupt kennt das Origin so manche Fehlerursache und kann das richtig einordnen und sinnvolle Hilfestellung geben, ein dickes Plus. Des Rätsels Lösung: Mit M 57 hatten wir ein Objekt zu nahe am Zenit herausgesucht. Dort ist die Bildfelddrehung zu schnell für längere belichtete Aufnahmen (hier 10 Sekunden). Das hätte zu deutlichen Polspuren (kreisförmige Sternspuren) am Gesichtsfeldrand geführt. Wir folgten dem weisen Rat und schwenken weiter auf M 27. Dem Hantelnebel spendieren wir dann rund eine Stunde Belichtungszeit. So ist das Bild erstaunlich tief und sogar die beiden schwachen OIII-Schalen weiter außen sind zu sehen.
Aber es sollten auch etwas ungewöhnlichere Objekte auf die Liste, die man vielleicht sonst nicht in der ersten Nacht fotografiert. Darunter war UGC 9242 mit 920 Sekunden Belichtungszeit, NGC6814 mit 650 Sekunden, NGC 6888 mit 1940 Sekunden, NGC 891 mit 380 Sekunden und sicherlich etwas exotisch SH2-84 mit nur 470 Sekunden. Von letzterem Nebel gibt es nur recht wenige Aufnahmen im Internet, diese jedoch immer mit vielen Stunden Belichtungszeit. Bei uns waren es nur knapp 8 min. Trotzdem sahen wir einen zarten Schleier schon im Vorschaubild am Smartphone und waren gespannt auf die Rohdaten. Aber auch da mussten wir feststellen, dass das händische Stacken gegenüber dem originalen Stack keinen sichtbaren Vorteil bringt. Natürlich kann man in der Nachverarbeitung seinen Vorstellungen freien Lauf lassen und alles tun, was so die moderne digitale Bildverarbeitung so mit sich bringt. Aber der Rohstack ist dann schon die bestmögliche Ausgangsbasis dafür. Wunder kann man so natürlich nicht vollbringen, insofern bleibt SH2-84 ein Hauch im Vorschaubild und ebenso ein Hauch in der kontrastgesteigerten Nachverarbeitung. Selbst auf dem Smartphone bekommt man also schon einen recht guten Eindruck davon, wie tief das Bild belichtet ist. Die verarbeitenden Algorithmen im Origin sind in dieser Hinsicht sehr gut abgestimmt.
Die Software allgemein macht schon einen ziemlich guten Eindruck. Das Planetariumsprogramm ist flüssig und intuitiv bedienbar, die Menüführung ist konsistent. Ein paar Ecken und Kanten wird man immer finden, haben wir auch, aber nichts, was den produktiven Einsatz in der ersten Nacht behinderte. In der zweiten Nacht sind uns dann doch noch ein paar mehr Ecken und Kanten aufgefallen. So funktionierte z.B. das Ausrichten des Planetariumsprogramm an Hand der internen Lagesensoren nicht. Das stellte sich später als spezifisches Problem des 5GHz-WLAN heraus, wovon wohl nur die deutschen Benutzer betroffen sind. Abhilfe wird programmiert und mit 2.4GHz ist man auch schnell genug unterwegs. Celestron jedenfalls ist fleißig dabei, die Software zu verbessern. Updates kann man übrigens vom Smartphone aus anstoßen, wenn das Origin eine Internetverbindung hat.
Fazit: Wir sind mit etwas Vorwissen und einem kurzen Blick in die Betriebsanleitung durch die Nacht gekommen. Das ganze Bild ist schon sehr stimmig. Allen Benutzer kann man trotzdem nur empfehlen, sich vorher mit dem Teleskop eingehend zu beschäftigen, um nicht wertvolle Nachtstunden zu verschwenden. Dazu hat das Origin einen Modus für die Tagbenutzung und kann sogar in einem Demomodus eine virtuelle Nachtsession durchspielen. Das technisch "komplizierteste" ist dabei sicherlich das Herstellen der WiFi-Verbindung, wobei sich hier keine anderen Hürden auftun, wie bei allen anderen WiFi-Verbindungen auch. Die Anleitung beschreibt das ausführlich. Mit dem für uns gelungenen Einstand hinterließ das Origin einen prächtigen Eindruck.
Für wen also ist das Origin: Das hervorstechende Merkmal ist, mühelos qualitativ hochwertige Daten sammeln. Davon profitiert jeder, sowohl der Einsteiger als auch der Fortgeschrittene oder die Sternwarte, die dem Besucher etwas zeigen will. Die stellare Grenzgröße erreicht schnell 16 - 17 mag und ist nach einer Stunde bei rund 19 mag. Warum also nicht mal bei einem unspektakulärem Kometen vorbeischauen und dessen Helligkeit messen, eine Supernova fotografieren, die man sonst nie auf dem Plan gehabt hätte, eine Lichtkurve von einem Stern bestimmen, einen Exoplaneten messen oder eine Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten oder der Erste sein, der den bevorstehenden Ausbruch von T CrB im Bild festhält. Mit dem Origin warten auf einen viele neue Wege in der Astronomie, die man sonst vielleicht nie beschritten hätte.
Nachtrag (November 2024): In der Zwischenzeit hat Celestron die Firmware des Teleskops, als auch die Origin-App aktualisiert und somit das Benutzererlebnis deutlich verbessert. Viele Kleinigkeiten bei der Benutzung wurden verbessert. Die neu ausgelieferten Teleskope erhalten immer die neueste Firmware.
Zusätzlich ist ein optionaler Nebelfilter für das Origin auf den Markt gekommen. Dieser ist speziell auf die Bedürfnisse des schnellen RASA-Systems abgestimmt.