Winter-Starhopping mit dem Miyauchi 20x100-45°
Stefan Karge, Volkssternwarte Frankfurt
(Normaler Achromat 100 iB) " ... nun aber zum praktischen Einsatz. Bereits während des ITV ’95 am Vogelsberg hatte ich Gelegenheit, mit diesem Gerät kurz zu beobachten. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar: ein echtes Sahneteilchen! Ein kurzer optischer Spaziergang durch die sommerliche Milchstraße, von der Scutum-Wolke mit M 11, über den sehr markanten Hantelnebel M 27 und den Ringnebel in der Leier, weiter zum Schwan als überdimensionaler Sternhaufen mit dem Nordamerike-Nebel, bis zum Andromeda-Nebel, blieb mir bis heute in sehr lebendiger Erinnerung. Natürlich ahnte ich damals noch nicht, daß dem Verein heute glücklicherweise dieses Gerät zur ständigen Verfügung steht.
Mit großen Erwartungen ging es dann also endlich hinaus in den Taunus zum ersten Test am Sternenhimmel. Zunächst einmal die hellen Paradeobjekte checken für einen ersten Eindruck. Also gleich Richtung Orion und den großen Orionnebel (M42/43) ins Visier genommen und ... whow!! Dank des großen Gesichtsfeldes stand das gesamte Schwertgehänge unterhalb der Gürtelsterne im Blickfeld - und M 42 in seiner vollen Pracht. Selten zuvor habe ich den Orionnebel in seinen gesamten Ausmaßen so schön gesehen! Auch der Reflexionsnebel NGC1973 nördlich von M 42 war deutlich auszumachen. Wenn dieser Nebel schon so gut zu sehen war, was wäre dann wohl von dem Gasnebel NGC2024 östlich des Gürtelsterns Alnitak zu erkennen? Was soll ich sagen - er war tatsächlich zu sehen! Das Dunkelband in der Mitte des Nebels war schön markant, trotz des hellen Lichtscheins von Alnitak. Dabei hat der Nebel nur eine Flächenhelligkeit (5’) von 11 m. Ich war doch etwas überrascht von der großen Lichtstärke und der sauberen Abbildung. Also weiter zum nächsten Highlight: Andromeda-Nebel. Auch hier, wie beim Orion-Nebel, kann das Gerät seine vollen Stärken ausspielen. Da stand sie nun, unsere große Nachbargalaxie: die beiden äußeren Spiralarme durch die Dunkelwolken getrennt, die helle Sternwolke NGC206 deutlich erkennbar und die beiden Satellitengalaxien M32 und NGC205 wie zwei Wattebäusche rechts und links. Trotz des großen Gesichtsfeldes von 2,5° waren die äußeren Bereiche der Galaxie abgeschnitten! Sie ist tatsächlich überraschend groß mit 3,5° Ausdehnung am Himmel. Mein erster Eindruck: Aber hallo...!
Was kann denn das Gerät wohl noch so alles - wo sind seine Grenzen? Es mußten also Objekte her, die wirklich schwach leuchten, also jenseits der 10. Größenklasse. Wir waren eben beim Andromeda-Nebel - was liegt also näher, als sich die beiden anderen Satellitengalaxien von M 31 mal vorzuknöpfen: NGC147 und NGC185 in der Cassiopeia. Gesagt - getan. Allein schon das Aufsuchen macht Spaß. Im Zielgebiet angekommen dann die Überraschung: Tatsächlich war die hellere der beiden Satelliten, NGC 185, als gerade so erkennbares Fleckchen auszumachen. Zur Erinnerung: NGC185 hat eine Flächenhelligkeit von 11,8 Größenklassen! NGC147 hat eine Helligkeit jenseits der 12. Größenklasse und liegt damit außerhalb der Reichweite dieses Gerätes. Ein weiteres lohnendes Objekt für das Miyauchi ist die SC-Galaxie M33. Dieses scheinbar so helle Objekt, das sich aber regelmäßig dann vom Sternhimmel zu verabschieden scheint, wenn man/frau es "mal eben" noch zeigen möchte, ist mit dem Miyauchi einfach nicht zu übersehen. Bei einer Grenzhelligkeit des Himmels im Taunus von durchschnittlich 4m5 - 5m5 sind die beiden großen Spiralarme von M33 nicht zu beobachten, wohl aber läßt sich bei genauerem Hinsehen die große HII-Region NGC604 am Ende des nördlichen Spiralarms ausmachen. Nun gibt es aber nicht nur Gasnebel und Galaxien, sondern auch eine große Menge offener Sternhaufen, denn die Wintermilchstraße läuft ja gerade durch den Zenit. Der optische Eindruck ist vergleichbar mit dem Anblick von helleren Kugelsternhaufen durch ein 6’’- 10’’-Teleskop: ein deutlich konzentrierter runder Nebelfleck, wobei sich je nach Objekt die hellsten Sterne auflösen lassen. Schöne Beispiele sind das Trio M36, M37 und M38 im Fuhrmann sowie M35 in den Zwillingen. Der "kleine Bruder" von M35, der Offene Sternhaufen NGC2158, erscheint z.B. als winziges konzentriertes Nebelfleckchen. Ausgedehnte offene Sternhaufen mit entsprechend schwächeren Sternen (>10m) wie M52, NGC7789 (Cas) oder NGC2360 (Cma) dagegen lassen sich wegen der geringen Vergrößerung des Gerätes nicht mehr auflösen. Sie heben sich aber wunderschön als kleine Nebelflecken von der großen Zahl der Milchstraßensterne ab. Und bei den ausgehnten Offenen Sternhaufen wie etwa h + c, den Plejaden, M44, NGC752 oder der OB3-Assoziation im Perseus lacht das Herz eines jeden Sternguckers.
Wer jetzt noch nicht wehmütig an die letzte gute Beobachtungsnacht zurückdenkt, dem möchte ich zum Abschluß noch einige Beobachtungsergebnisse mit dem Miyauchi berichten, die für mich selbst sehr unerwartet und überraschend waren. Also haltet euch fest:
- die Reflexionsnebel in den Plejaden, vor allem um Merope
- der Supernova-Rest IC443 (Gem)
- der südöstliche und nordwestliche Teil des Rosettennebels NGC2237 (Mon),
- der California-Nebel im Perseus.
Fazit: das Miyauchi 20 x 100 ist einfach nur Klasse und eine echte Bereicherung für jeden Sternenfreund. Ein Fernglas dieser Größenordnung hat natürlich seinen Preis, aber die zu gewinnenden Eindrücke und Ansichten sind einmalig. Durch die guten optischen Eigenschaften und die leichte Handhabung macht das Beobachten mit diesem Gerät einfach nur Spaß, und das ist doch immer noch das Wichtigste!"