Eigenschaften von Pyrex/Quarz und anderen Spiegelträgern

Grundsätzlich gilt: Die Form der Oberfläche eines Spiegels und dessen Glattheit sind wichtiger als das Spiegelmaterial.

Bei Pyrex handelt es sich um ein getempertes Borosilicat-Glas, das praktisch nur als Spiegelträger Verwendung findet. Die für die Praxis wesentliche Eigenschaft von Pyrex ist die relativ geringe Wärmeausdehnung. Es gibt zwei verschiedene Methoden, Pyrexrohlinge herzustellen. Entweder werden die Scheiben aus großen Platten geschnitten ("Pyrex sheet glass") oder das glutflüssige Material wird gleich in eine runde Form ("Pyrex blank") gegossen. Beim Guß der Platten oder der Rohlinge kühlt sich das Material, das als erstes mit der Gußform in Verbindung kommt, schlagartig ab und wird fest, während der Rest langsamer abkühlt. Dadurch gibt es an der Gußhaut große mechanische Spannungen. Um die Spannungen zu beseitigen, wird das Glas nach dem Erstarren in einem Ofen bis knapp unter den Schmelzpunkt aufgeheizt, für eine Weile auf dieser Temperatur gehalten und dann langsam abgekühlt. Dieser Prozeß wird als Tempern (engl. "annealing") bezeichnet. Nicht nur Pyrex, sondern auch alle anderen als Spiegelträger verwendeten Materialien müssen getempert werden. Wenn die Spannungen im Glas bleiben, verändert sich die Form bei Temperaturänderungen. Der Spiegel wird bei einer bestimmten Temperatur parabolisiert und funktioniert - allerdings nur bei dieser Temperatur. Da bei der Beobachtung die Temperatur meist tiefer liegt als bei der Herstellung, muß man mit einer verzerrten Abbildung rechnen.

Die für die astronomische Beobachtung relevanten Vorteile von Pyrex gegenüber anderen Materialien - insbesondere BK7 - sind:

  • Die Wärmeausdehnung von BK7 ist 2.2 mal so groß wie die von Pyrex. Das heißt, daß sich ein Pyrexspiegel beim Abkühlen knapp halb so stark verzieht wie ein BK7 Spiegel. Die Wärmekapazität und die Wärmeleitfähigkeit beider Materialien sind fast gleich. Daraus folgt, daß Pyrex die gleiche Abkühlzeit wie BK7 hat und nicht etwa schneller abkühlt, wie oft behauptet wird. Solange der Temperaturunterschied zwischen Spiegel und Umgebung noch groß ist, spielt das Material keine Rolle, da im Tubus aufsteigende Warmluft kein gutes Bild zuläßt. Wenn die Abkühlung fortgeschritten ist und die Warmluft das Bild nur noch wenig stört, hat Pyrex eine bessere Abbildungsqualität als BK7. Das gleiche gilt, wenn im Laufe der Nacht die Temperatur weiter fällt. Das hat nichts damit zu tun, daß beide Materialien gleich gute Bilder zeigen, wenn die Qualität gleich ist und die Spiegel sich voll an die Außentemperatur angepaßt haben. Fensterglas und andere billige Materialien haben etwa die dreifache Wärmeausdehnung von Pyrex, also noch etwas mehr als BK7.
  • Pyrex läßt sich vom Optiker relativ gut parabolisieren, da es eine dafür günstige Härte hat. Das weichere BK7 bereitet größere Probleme beim Parabolisieren, da man leicht über das Ziel hinausschießt und z. B. die berüchtigte "abgesunkene Kante" produziert. Daher hat man bei Pyrex eine bessere Chance, eine möglichst genaue Kurve hinzubekommen. BK7 ist anfälliger gegen Kratzer. Für die Massenproduktion bedeutet das, daß die Fehlerquote bei der Herstellung von Pyrex Spiegeln geringer ist als bei BK7.
  • Durch die geringere Wärmeausdehnung gibt es bei Herstellung eines Pyrexspiegels weniger Probleme beim Messen der Oberfläche. Nach dem Parabolisieren muß sich der Spiegel erst wieder an die Raumtemperatur anpassen, bevor er zuverlässig vermessen werden kann. Nach einer bestimmten Zeit der Wärmeanpassung ist die Oberfläche einer Pyrexscheibe näher an der "wahren" Oberfläche als bei einem Glas mit größerer Wärmeausdehnung. Umgekehrt muß man bei BK7 länger als bei Pyrex warten, bis man die gleiche Zuverlässigkeit beim Messen hat. Das bedeutet nicht, daß ein BK7 Spiegel schlechter sein muß als ein Pyrex, aber auch dieser Aspekt führt bei Massenproduktion im Schnitt zu einer besseren Oberfläche des Pyrex-Spiegels.

Die bisher aus Taiwan an uns gelieferten BK7 Spiegel haben trotz dieser Probleme eine hervorragende optische Qualität, werden also offensichtlich mit der erforderlichen Sorgfalt hergestellt. Die Pyrexspiegel vom gleichen Lieferanten sind im Schnitt etwas besser.

Es sei noch angemerkt, daß die Vorteile von Pyrex im wahrsten Sinne des Wortes ihren Preis haben: Pyrex ist schon bei 8" erheblich teurer als BK7. Zum einen sind die "Zutaten" teurer. Pyrex besteht zu etwa 80% aus Quarz. Der Anteil von Natrium, das beim Fensterglas die kräftige grüne Farbe produziert, liegt bei Pyrex bei nur 5%. Zum anderen ist BK7 lokal verfügbar, während die Pyrexrohlinge aus USA importiert werden müssen.

Zur Vollständigkeit seinen hier noch die verschiedenen Ausdehnungskoeffizienten der verschiedenen Glasmaterialien genannt:

Material Ausdehungskoeffizient Dichte
[10-6/K] [g/cm3]
Float Glas 8.4 2.49
BK7 7.1 2.51
Suprax 4.3 2.31
Pyrex 3.25 2.23
Quarz 0.54 2.20
Zerodur 0-0.1 2.53

Weitere Materialien:

Fensterglas: Das an seiner kräftigen grünen Farbe erkennbare Fensterglas hat eine noch etwas größere Wärmeausdehnung als BK7 und eine entsprechend größere Verformung.

Plate Glas, etc.: Das billigste der Materialien, mit denen Fernost-Teleskope geliefert werden, ist nicht getempert. Man erkennt das Material an der welligen Gußhaut am Spiegelrand. Dieses Material hat oft eine minderwertige Qualität. Wir hatten eine Reihe von Testspiegeln zur Verfügung, ein großer Anteil war unbrauchbar und hatte starke, dreieckige Verzerrungen sowie eine erhebliche sphärische Abberation.

Suprax: Dieses Glas fällt wie Pyrex in die Gruppe der Borosilikatgläser. Wegen seiner Spezifikationen wird dieses Material gerne in Bereichen eingesetzt, wo es zu hohen Temperaturschwankungen kommt und wo chemische Resistenz gefragt ist. Die Wärmeausdehnung ist nur minimal schlechter als Pyrex und auch die spezifische Dichte liegt im Bereich von Pyrex (2.3 g/cm^3).

Quarzglas: Das Quarzglas besteht aus reinem Siliciumdioxid. Im Gegensatz zu Quarzkristallen handelt es sich hierbei um eine glasig erstarrte Schmelze. Das Quarzglas vereint einige besondere physikalische Eigenschaften, der es für den Einsatz in der Optik geradezu prädestiniert. Darunter ist der sehr niedrige Temperaturausdehungskoeffizient und die gute Transparenz für Wellenlängen bis hinunter zum UV. Aber das Quarzglas lässt sich dafür auch nicht so einfach bearbeiten wie andere Gläser, was sich in den Kosten niederschlägt.